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„Ich gebe dem Kunden keine Ausrede mehr, dass er nicht bei mir bestellen kann“

Gepostet in Player9 Monate alt • Geschrieben von RedaktionKeine Kommentare

Eine kleine App soll den stationären Buchhandel in Österreich beleben. LChoice versteht sich als zusätzlicher Vertriebskanal für Buchhändler, die sich gegen Internet-Riesen wie Amazon behaupten wollen. www.etailment.at hat den Österreich-Leiter von LChoice, Constantin von Ridder, zum Interview gebeten.

LChoice aus München hat das Österreich-Rollout bereits hinter sich gebracht. Kunden können per App ihre Bücher direkt beim Buchhändler um die Ecke bestellen – die Ware wird anschließend nach Hause geliefert oder kann im Buchladen abgeholt werden. www.etailment.at hat mit dem Österreich-Leiter von LChoice, Constantin von Ridder, gesprochen: über die Möglichkeiten von LChoice für den österreichischen stationären Buchhandel, das Potenzial des “buy local”-Gedankens im Internetzeitalter und über die Ziele von LChoice für das laufende Jahr in Österreich.

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“Die meisten Buchhändler sind gerade im Generationenwechsel, wodurch der Buchhandel automatisch eine Affinität zu Neuen Medien entwickelt”, erklärt Constantin von Ridder, LChoice Dependance Austria, im Gespräch mit www.etailment.at.

www.etailment.at: Herr von Ridder, Sie sind LChoice-Dependance Austria Leiter bei LChoice. Stellen Sie sich und Ihr Unternehmen doch bitte kurz vor.

Constantin von Ridder: Ich bin seit Oktober 2013 bei LChoice, das von Herrn Röder und Herrn Bintig gegründet wurde. Herr Röder hat seit über 20 Jahren Erfahrung mit Warenwirtschaftssysteme, bis er die Idee hatte, eine Verbindung zwischen Warenwirtschaftssystemen und mobilen Endgeräten zu schaffen – das alles mit dem Grundgedanken, das mobile mit dem lokalen Geschäft zu verbinden. Der Buchhandel ist ein sehr guter Einstiegsmarkt, um diese Idee auszuprobieren. Ich selber lebe seit 5 Jahren in Wien und war vorher Projektmanager bei der Erste Bank.

www.etailment.at: Wie finanzieren Sie sich mit LChoice?

Constantin von Ridder: Wir sind derzeit noch selbstfinanziert, suchen aber nach geeignete Investoren, die nicht nur das Geld mitbringen sollten, sondern auch Know-how, Beziehungen und auch andere Apps als Basis für gemeinsame Entwicklungen.

www.etailment.at: Wie groß ist Ihr Team derzeit?

Constantin von Ridder: Wir sind sechs Leute, haben aber über die andere Firma von Herrn Röder – eine Beratungsfirma für Warenwirtschaftssysteme – noch ein Backup-Team, das uns vor allem bei Entwicklungen hilft.

www.etailment.at: Wie machen Sie LChoice unter Konsumenten bekannt? Wie machen Sie Marketing?

Constantin von Ridder: In Österreich haben wir eine Kooperation mit der WKO, die eine Initiative namens „read global, buy local“ führt und die unsere App auch nach Österreich gebracht hat. Dadurch kommen wir in Österreich leichter an die Buchhändler. In Deutschland gehen wir über andere Vereinigungen wie den Börsenverein, mittlerweile geht es aber auch schon Mund-Propaganda unter den Buchhändlern.
Unser großes Ziel ist es, dass die Buchhändler ihre eigenen Kunden halten und nicht zu den großen Konkurrenten abwandern – Stichwort Customer Retention. Haben die stationären Buchhändler mit LChoice zufriedene Kunden, werden sie dann auch mit ihren Kollegen und Freunden darüber sprechen und die App weiter verbreiten. Aber wie gesagt: das große Ziel ist zunächst, die bestehenden Kunden für die lokalen Buchhändler zu sichern.

www.etailment.at: Wie viele Buchhändler nützen LChoice mittlerweile in Deutschland und in Österreich?

Constantin von Ridder: In Deutschland haben wir 160 Buchhändler, in Österreich sind es ca. 20. Wir hatten bis April fünf Buchhändler mit an Bord, von Mai bis Juni haben wir weitere 15 dazugewonnen. Die Pilotphase ist abgeschlossen und wir haben hier in Österreich wenige Unterschiede zu Deutschland entdeckt, d.h. das System war kompatibel genug, um es sofort nach Österreich zu bringen. Von der technischen Seite und auf usability-Ebene haben wir leichte Unterschiede gesehen, z.B. dass man die Kunden in Österreich nicht mit „du“ ansprechen sollte (lacht). Wir sind auch schon in Kontakt mit Südtoriler Buchhändlern und haben vor, auch in den Südtiroler Markt einzutreten, auch einen Eintritt in die Schweiz überlegen wir uns. Zuerst wollen wir aber schauen, wie sich unser Angebot in Österreich entwickelt.

www.etailment.at: Die Pilotphase zum Österreich-Rollout startete ja bereits im Februar. Wie viele Buchbestellungen wurden während der Pilotphase über LChoice getätigt?

Constantin von Ridder: Genaue Zahlen zu Buchbestellungen liegen mir aktuell nicht vor. Zur Zeit sind zwischen 2.500 und 3.000 User in Deutschland und Österreich registriert. In Österreich waren es Anfang Juni um die 250. Unsere Strategie in Deutschland war es, flächendeckend an den Markt zu gehen, während wir uns in Österreich zunächst vor allem auf Wien konzentriert haben. Jetzt gehen wir in weitere Ballungszentren wie Graz und Linz.

www.etailment.at: Wie viele Händler wollen Sie in Österreich bis zum Jahresende an Bord haben?

Constantin von Ridder: Wenn wir bis zum Ende des Jahres auf 50 bis 75 kommen, sind wir zufrieden.

www.etailment.at: Sie haben gerade eine Präsentationen von LChoice in der WKO Graz hinter sich gebracht. Wie fallen die Reaktionen hierzulande aus?

Constantin von Ridder: Durchwegs positiv. Ein Grund liegt wohl darin, dass die meisten Buchhändler gerade im Generationenwechsel sind, wodurch der Buchhandel automatisch eine Affinität zu Neuen Medien entwickelt. Die meisten sehen die Chance auf einen zusätzlichen Vertriebskanal und ihren Laden 24/7 offen zu haben. Dieses Moment – „Ich gebe dem Kunden keine Ausrede mehr, dass er nicht bei mir bestellen kann“ – das zieht bei den meisten.

www.etailment.at: Gibt es für Buchhändler, die LChoice nutzen wollen, eine Anfangsinvestition?

Constantin von Ridder: Nein. Sie brauchen nur ein wenig Zeit, um in ihre Kunden und ihr Marketing zu investieren. Ansonsten gibt es keine Anfangsinvestition für den Buchhändler. Sie können also nur gewinnen.

www.etailment.at: Nach dem Multi- und Omnichannel-Hype werden nun vereinzelt Stimmen zur Exzellenz im Mono-Channel laut. Muss ein Buchhändler überhaupt in allen Kanälen vertreten sein?

Constantin von Ridder: Ich denke ja, denn ein Buch ist doch ein sehr austauschbares Gut, das bereits über mehrere Kanäle bezogen werden kann. Es war praktisch das erste Gut, das die Welt über das Internet gekauft hat. 20 Prozent der Buchkäufe laufen heute über das Internet und man hat sich bereits daran gewöhnt. Der Umsatz ist über die Online-Plattformen ist zwar für die meisten nicht berauschend, aber wenn sie keinen Onlineshop hätten, wäre das Negativ-Feedback viel größer – dann kommen Vorwürfe wie „Ihr seid ja nie erreichbar, ihr seid ja nicht modern“ usw.

www.etailment.at: Sie haben Ihr Produktportfolio kürzlich um DVDs, CDs und Spiele erweitert. Ist Ihre „buy local“ Lösung für weitere Branchen verfügbar?

Constantin von Ridder: Die Erweiterung ist grundsätzlich möglich und auch angedacht. Wir haben hier in Wien diesbezüglich schon eine Testphase. Wir bieten von Audiamo Hörbücher als physikalische CDs an. Audiamo haben ihr eigenes Produktportfolio, die nicht im Verzeichnis lieferbarer Bücher gelistet sind – sie liefern uns ein Importfile mit ca. 18.000Produkten und ein Update wenn sich z.B. Preise von Produkte ändern. Also zur Frage: Ja, es ist möglich, und es ist auch angedacht – ob und wie wir das in derselben App bereitstellen, ist wieder eine andere Frage.

www.etailment.at: Was, wenn über die LChoice-App bestellte Bücher nicht abgeholt werden?

Constantin von Ridder: Wenn Bücher nicht abgeholt werden, sprechen wir den Kunden erst per Mail oder SMS darauf an. Sollte das nicht funktionieren, werden wir den Auftrag erst einmal stornieren und bei häufigerem Auftreten den Kunden höflich darum bitten, von Bestellungen Abstand zu halten.

www.etailment.at: Mit welchen Herausforderungen haben Sie abseits von Abholung oder Stornierungen außerdem zu kämpfen?

Constantin von Ridder: Wir haben immer wieder Fragen zu Zahlungsmethoden. Wir bieten derzeit drei verschiedene Zahlungsmethoden, abhängig vom Abhol- oder Lieferservice. Bei Abholung in der Filiale bieten wir dem Kunden Vorauskasse, Lastschrift oder Barzahlung. Bei Versenden bieten wir Vorauskasse oder Lastschrift. Wir werden immer wieder gefragt nach „Auf Rechnung“ oder Nachnahme. Bei diesen beiden Zahlungsmethoden ist die Buchhandelswelt aber sehr zweigeteilt – die Mehrheit will das tendenziell nicht, vor allem, wenn man den Kunden noch nicht richtig kennt. Das ist eine Vertrauensgeschichte.

www.etailment.at: Was meinen Sie: Hat sich die arbeitsrechtliche Diskussion rund um ihren „Konkurrenten“ Amazon gut auf den stationären Buchhandel und auf Ihr „buy local“-Geschäftsmodell ausgewirkt?

Constantin von Ridder: Ich würde Amazon nicht unbedingt als unseren Hauptkonkurrenten auffassen, weil wir einen anderen Fokus haben. Wir haben die Verbindung zwischen dem Online- und dem Offlinegeschäft im Fokus und streichen dort auch die Vorteile der Buchhändler und dem lokalen Geschäft allgemein hervor. Viele Leute kaufen lokal, weil sie nicht wollen, dass ihr Viertel ausstirbt. Weil sie eine persönliche Beziehung, eine Beratung haben wollen. Der „buy local“ Gedanke hilft angesichts der arbeitsrechtlichen Probleme bei Amazon natürlich vielen Leuten, sich darauf zu konzentrieren, wo sie hinwollen.

www.etailment.at: Wo sehen Sie LChoice heute in einem Jahr? Was sind Ihre mittelfristigen Ziele?

Constantin von Ridder: In einem Jahr sind wir im Buchhandel als App etabliert, Buchhändler promoten dann auch unser Angebot. Kunden selbst werden dann daran gewöhnt sein, LChoice zu verwenden und in einem Jahr haben wir sicher schon eine weitere Produktlinie im Portfolio, wobei aber der Fokus auf dem Buchhandel und auf dem buy local-Gedanken bleiben wird.

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