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Rakuten Austria: “Werden kurzfristig nicht so groß sein wie Amazon”

Gepostet in Player2 Jahre alt • Geschrieben von Redaktion2 Kommentare

Der Online-Marktplatz Rakuten feiert seinen ersten Geburtstag in Österreich. Im Gespräch mit www.etailment.at erzählt Dieter Kindl, CEO von Rakuten Austria, über die bisherigen Highlights am österreichischen Markt, über geplante unternehmerische Entwicklungen und das Verhältnis zum “ungeliebten Bruder”, den Internet-Multi Amazon. Außerdem kündigt Kindl den Österreich-Rollout des Rakuten Streaming-Dienstes Wuaki an. Mit Wuaki will Rakuten unter anderem den Streaming-Konkurrenten Netflix und Amazon Instant Video entgegentreten. Mehr dazu lesen Sie im Interview!

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“Unsere Brand-Awareness ist in Österreich noch sehr gering. Wir wollen darum auch verstärkt als Rakuten in die Bekanntheit gehen”, erklärt Rakuten Austria CEO Dieter Kindl im Gespräch mit www.etailment.at.

www.Etailment.at: Herr Kindl, vor einem Jahr ist Rakuten offiziell in Österreich gestartet, seit Anbeginn sind Sie hier als CEO tätig. Was waren Ihre geschäftlichen Highlights in diesem ersten Jahr?

Dieter Kindl: Ein Highlight ist, dass wir mittlerweile mehr als 700 Händler in Österreich haben, die uns vertrauen und mit denen wir zusammen arbeiten können. Wir sehen, dass vom internationalen Markt sehr wohl einiges auf den lokalen Markt anzuwenden ist. Zwar nicht alles, denn reines Copy & Paste funktioniert einfach nicht – aber wir haben doch gesehen, welche Dinge funktionieren. Wir sehen zum Beispiel, dass Händler, die eng mit uns zusammenarbeiten, wesentlich besser performen. Das bedeutet, dass unser Empowerment-Ansatz funktioniert, und das ist sicher unser Highlight. Bis Ende des Jahres 2014 wollen wir die Zahl der österreichischen Rakuten-Händler auf 1.600 steigern.

www.Etailment.at: Was funktioniert denn in Japan, was in Österreich nicht funktioniert?

Dieter Kindl: Das ist unterschiedlich. Ein Punkt ist zum Beispiel das Grafische. Aber es gibt auch Dinge, die mich selbst überrascht haben: die hohe Performance von Longpages – das funktioniert besser, als ich es mir gedacht hätte. Allgemein gesagt ist es wichtig, auf die Bedürfnisse des Kunden zu achten, die ja auch von Land zu Land variieren. Im Endeffekt entscheidet der Kunde, ob etwas gut oder schlecht ist, unabhängig vom Markt.

www.Etailment.at: Von den etwa 39.000 österreichischen Einzelhandelsunternehmen verkaufen derzeit etwa 7.500 über einen eigenen Webshop, rund 700 verkaufen über Rakuten. Sind Sie mit diesen Zahlen zufrieden?

Dieter Kindl: Nein, damit kann man nicht zufrieden sein. Da ist noch ein riesiges Potenzial da. Unsere Marke Rakuten ist in Österreich nicht bekannt, doch das war uns von Anfang an bewusst. Wir handeln ja nach dem Motto: Du musst nicht Rakuten kennen, du musst den Händler von Rakuten kennen. Unsere Brand-Awareness ist dadurch noch sehr gering, das tut uns gerade im Vertrieb sehr weh.
Einige Händler antworten uns: „Euer Angebot ist fast zu schön, um wahr zu sein, aber man kennt euch ja nicht…“
Mit dem Marktplatz-Konzept assoziiert man allgemein zuerst Amazon – das ist für uns ein Problem, da unser Konzept sehr unterschiedlich zu Amazon ist. Wir werden hier kurzfristig nicht so groß wie Amazon sein – zumindest nicht, bis wir unser Ecosystem ausgebaut haben wie beispielsweise in Japan. Wir wollen darum auch verstärkt als Rakuten in die Bekanntheit gehen, ohne aber unser Konzept der Händlerorientiertheit zu vernachlässigen. Unsere B2B-Kommunikation wird massiv ausgebaut und gestärkt, über namhafte Partner gewinnen wir sehr viel Vertrauen.

www.Etailment.at: Was ist die größte Hürde für Händler, die in den E-Commerce einsteigen wollen?

Dieter Kindl: Man hört oft das gleiche: Hohe Investitionen, fehlendes Know-how, fehlende Ressourcen und generell eine Angst vor dem Neuen. Wir geben auf diese Probleme ganz konkrete Antworten und Lösungen. Von daher war der Weg nach Österreich der absolut richtige.

www.Etailment.at: Ihre Strategie ist „Weg von der Produktorientierung hin zur Händlerorientierung“. Können Sie das kurz erklären?

Dieter Kindl: Der Kunde ist gewöhnt, auf einen Online-Marktplatz zu gehen und nach einem gewissen Produkt zu suchen. Dann wird das Produkt dargestellt, doch der Kunde bekommt nicht einmal mit, von wem er das Produkt dann kauft. Der Kunde weiß beispielsweise nicht, ob das Produkt direkt von Amazon oder über einen Amazon-Händler verkauft wird. Mit unseren Schwerpunktthemen Emotionalisierung und Story wollen wir zeigen, dass es uns um viel mehr geht. Ein Beispiel: Ich kann ein und dasselbe Hemd bei 40 oder 50 unterschiedlichen stationären Händlern in Wien kaufen, alle zum gleichen Preis. Aber trotzdem gehe ich immer zum gleichen Händler. Der hat einen Service und das gewisse Etwas, das ihn von anderen unterscheidet – eine Story, einen Wohlfühlfaktor. Genau das ist auch unser Thema im Internet.

www.Etailment.at: Welche Rolle spielt darin der Faktor Preis? Der Online-Shopper ist ja eher ein „Geizhals“.

Dieter Kindl: Online werden zwar um die 50 Prozent der Einkäufe über den Preis getätigt. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass 50 Prozent der Online-Einkäufe gerade nicht über den Preis getätigt werden. Es ist auch nicht so, dass plötzlich 100 Prozent der Umsätze bei demjenigen Händler landen, der auf Geizhals ganz oben gereiht ist. Da spielen andere Faktoren mit hinein, der Service und ein gewisser USP des Händlers wird vom Kunden sehr wohl honoriert. Darum sagen wir unseren Händlern immer: Stellt euch in den Vordergrund und zeigt, was euch von den anderen unterscheidet.

www.Etailment.at: Sie beklagen ja immer wieder den Kaufkraftabfluss ins „Internet-Ausland“. Die heimischen Unternehmen decken mit knapp drei Mrd. Euro nur knapp die Hälfte der Internet-Ausgaben der Österreicher. Welche Maßnahmen setzen Sie mit Rakuten, um den Kaufkraftabfluss einzudämmen?

Dieter Kindl: Räumen wir das Feld mal von hinten auf: In erster Linie schauen wir darauf, dass österreichische Händler hier mehr Umsatz machen. Derzeit machen wir mit ausländischen Kunden rund 80 Prozent unseres Händlerumsatzes in Österreich. Das bedeutet, wir ziehen Geld vom „Internet-Ausland“ zurück nach Österreich. Der andere Schritt ist, das wir den österreichischen Rakuten-Marktplatz noch wesentlich ausbauen und attraktiver machen wollen, wobei hier aber auch deutsche oder allgemein ausländische Händler gelistet sein können. Wir glauben jedoch, dass das Thema Regionalität vom Endkunden stärker honoriert wird. Die vorhin angesprochenen 80 Prozent ausländischer Umsätze werden in Zukunft noch wesentlich mehr werden, denn wir sind gerade dabei, unsere europaweiten Plattformen technologisch zu migrieren. Wir machen damit eine globale Plattform, die so variabel ist, dass sie weiterhin die Stärken der einzelnen Länder in sich trägt. Durch die Migration wird unser Absatzmarkt zuerst um Spanien, UK und erweitert, im zweiten Step der Migration folgt dann auch noch Frankreich.

www.Etailment.at: Außerdem planen Sie für die kommenden Tage einen Relaunch des Marktplatzes. Was sind die wesentlichsten Neuerungen?

Dieter Kindl: Wir wollen noch stärker zeigen, was es bedeutet, ein händlerorientierter Marktplatz zu sein. Wir wollen auch das Motto „Buy from people, not from the internet“ stärker kommunizieren. Weiters stehen sehr viele Verbesserungen im Bereich User Experience an. Auch kuratierte Seiten wie unsere „Erlebniswelten“, Infotainment und Content werden in Zukunft eine stärkere Rolle spielen.

www.Etailment.at: Spielt beim Relaunch auch Mobile eine Rolle – Stichwort Responsive Design?

Dieter Kindl: Ja, unsere Lifestyle-Gruppen beispielsweise sind schon fully responsive. Auch die relaunchte Seite wird responsive sein. Zum Teil kommen schon über 50 Prozent unseres Traffics von Mobile.

www.Etailment.at: Und wie sieht es mit den Conversions im Mobile-Bereich aus?

Dieter Kindl: Bei Mobile-Käufen sind wir offen gesagt noch nicht so stark. Aber ich glaube, dass der neue Checkout ab Juli massiv helfen wird – gerade in der mobilen Version. Mobile hat noch großes Potenzial, wo wir Umsatz für unsere Händler generieren können. Man muss auch bedenken, die Online-Seite wurde bereits mehrmals optimiert, während die mobile Seite im Vergleich noch sehr „jung“ ist.

www.Etailment.at: Welche Produkte sind in den Rakuten Austria Shops besonders gefragt?

Dieter Kindl: Das ist schwer zu sagen, denn wir sind produktemäßig sehr breit aufgestellt. Wir haben acht Millionen Produkte am Marktplatz gelistet. Wir haben oft Verkaufsevents, wo einzelne Produkte gepusht werden – das steigert klarerweise die Verkäufe. An dieser Stelle muss ich aber auch etwas kritisch sagen: Unser Konzept ist definitiv aufwendiger. Während ich als Händler sonst nur meine Produkte hochlade und sage, ich warte jetzt einmal, was passiert, geht es bei unserem Konzept darum, mich als Händler selbst darzustellen. Das ist eben mit einem gewissen Arbeitsaufwand verbunden. Nehmen wir als Beispiel unseren Grillershop-Händler: das ist ein Händler, der von uns alles annimmt und hochmotiviert ist. Innerhalb kürzester Zeit hatte er über Rakuten schon mehr Umsatz gemacht als über Amazon. Von all den Verkäufen abseits der verkaufsfördernden Events performt dieser Händler am besten.

www.Etailment.at: In Deutschland ging die Rakuten Expo am vergangenen Samstag über die Bühne. Haben Sie den Event Ihrer deutschen Kollegen verfolgt?

Dieter Kindl: Ich war am Samstag in Berlin und habe an der Expo der deutschen Kollegen teilgenommen.

www.Etailment.at: Ihr deutscher Kollege Christian Macht gab laut dem deutschen Blog excitingcommerce sinngemäß bekannt, dass sich Rakuten Deutschland im Kampf gegen Amazon geschlagen geben würde, und zwar wegen den ausbleibenden großen Erfolgen. Wie sieht die Lage in Österreich aus? Peilt man hier noch an, Amazon zu überholen?

Dieter Kindl: Ich habe den Blog-Eintrag gelesen, habe die Worte von Christian Macht jedoch nicht so wahrgenommen wie die Autoren von excitingcommerce. Er hat sich ja deutlich entschuldigt für die Versprechungen, die in Deutschland in der Vergangenheit nicht eingehalten wurden. Es ist in einem 13.000 Mann Unternehmen nicht mehr so leicht, Dinge so schnell zu bewegen. Auch durch die derzeitige Migration auf eine Plattform kommen sehr viele unterschiedliche Ansätze zusammen – aus UK, Frankreich, Spanien und aus Deutschland. Das hat sehr viel Zeit gekostet. Glücklich bin ich über den japanischen Weg, dass man da ein bisschen bedächtiger an die Sache herangeht und länger plant.
Es mag sein, dass das ein oder andere Feature, dass auf der Expo in Deutschland zugesagt wurde, nicht im angekündigten Ausmaß umgesetzt wurde. Aber es war ja nicht so, dass Deutschland nicht erfolgreich gelaufen wäre. Ich glaube, die Ansprüche haben sich noch vergrößert, wir müssen die Ansprüche an uns selber auch vergrößern. Zum Aufgeben gegen Amazon: Es steht für mich persönlich nicht zur Debatte, da es mit Rakuten und Amazon zwei Ansätze gibt, die beide ihre Berechtigung haben. Das sind unterschiedliche Ansätze an das gleiche Thema. Ich glaube, wir können nicht so einfach sagen, wohin die Reise gehen wird. Ich finde, dass wir die Vergrößerung des Absatzmarktes sehr gut hinbekommen und ich glaube, dass wir über unsere Akquisitionen noch eine sehr interessante Kundenbasis hinzubekommen werden.

www.Etailment.at: Wie wird sich Rakuten im laufenden Jahr 2014 unternehmerisch weiterentwickeln?

Dieter Kindl: Aktuell bauen wir den österreichischen Marktplatz weiter aus. Ganz zu Beginn haben wir unsere Händler insofern bedient, dass sie im deutschen Markt gepusht werden. Jetzt werden wir auch den heimischen Markt stärker betreuen. Dazu gehören neben Marketing auch Dinge wie Payment-Lösungen – wir haben ab Juli endlich den Rechnungskauf. Außerdem neu wird der gesamte Checkout-Prozess. Insgesamt schauen wir auch, dass wir das Thema Entertainment noch weiter in den Online-Handel bekommen.

www.Etailment.at: Sie haben es auf der Rakuten Expo angesprochen: Auch das europaweite Marketing von Rakuten wird sich verändern, sie wollen stärker mit den Standorten London und Berlin zusammenarbeiten…

Dieter Kindl: Ja! Das zentrale Marketing in Europa wird jetzt massiv ausgebaut und in Berlin zentralisiert. Der Gedanke dabei ist, das quer über Europa verteilte Know-how von Rakuten zusammenzuführen. Der Standort London hat den Hintergrund, dass dort das Rakuten-Marketing viele namhafte Kunden in Europa und den USA betreut, während wir von Rakuten Austria – obwohl im gleichen Konzern und obwohl wir uns gut kennen – bis dato noch nicht so eng kooperiert haben. Das wollen wir nun auch verstärken. Ich glaube, dass wir von dieser Kooperation generell mehr profitieren werden. Was noch kommen wird: wuaki.tv, unsere Video-Streaming-Plattform, wird in Österreich gestartet.

www.Etailment.at: Was bedeutet die Übernahme von Viber für Europa?

Dieter Kindl: Damit erhalten wir eine weitere Möglichkeit, die Kommunikation zwischen Händler und Kunden zu unterstützen, vor allem,  wenn es um den Faktor Service geht. Anstatt die Kommunikation über anonyme Formulare durchzuführen, könnte etwa ein Händler mit dem Kunden über Viber kommunizieren. Bei Lieferproblemen – oder sollte ein Produkt einmal nicht den Erwartungen des Kunden entsprechen – könnte das Problem zwischen Händler und Kunden über Viber angegangen und gelöst werden.

www.Etailment.at: Noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrem Job?

Dieter Kindl: Die Möglichkeit, so viel umsetzen zu können. Wir sind in Österreich in der glücklichen Lage, dass wir ein sehr schlankes Team sind (Anm. d. Red. knapp 20 Mitarbeiter), wir machen sehr viele Shared-Services. Das bedeutet, dass all unsere Team-Mitglieder in Wien ausschließlich für die Lokalisierung von Rakuten verantwortlich sind. Außerdem gefällt mir, dass jede noch so seltsam anmutende Idee zumindest einmal angeschaut und durchgegangen wird, wir haben also relativ viele Freiheiten für einen so kleinen und jungen Markt, wie es Österreich im globalen Gefüge von Rakuten ist. Das freut mich sehr!

www.Etailment.at: Und die größten Herausforderungen?

Dieter Kindl: Zu den größten Herausforderungen zählt die aktuell laufende europaweite Migration unserer Plattformen. Wichtig ist, dabei das ideale Produkt für den jeweiligen Marktplatz zu schaffen und die Expansion gut zu meistern. In unserem Markt ist es eine Herausforderung, mit der fehlenden Offenheit des Handels umzugehen, wenn es um neue und andere Konzepte geht. Das ist glaube ich ein Mentalitätsthema. Aber Dinge verändern sich nun einmal – und wieso sollten Dinge, die weltweit gesehen gut funktionieren, nicht auch in Österreich klappen? Da steckt in Österreich noch großes Potenzial.

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