Nicola Schumann, Beate Uhse: „Unser Onlinegeschäft ist bereits jetzt unser Zugpferd“
Beate Uhse hat nach Umsatzeinbußen einen Markenrelaunch vorgenommen und sich stark auf den Onlinehandel konzentriert. Wie sich die Digitalisierung auf den Online-Erotikmarkt auswirkt, erläutert Nicola Schumann, Country Managerin von Beate Uhse, im www.etailment.at Interview.
www.etailment.at: Beate Uhse hat 2013 einen Markenrelaunch und Umstrukturierungen vorgenommen. Mit welchen Problemen hatten Sie zu kämpfen und wie hat sich Beate Uhse für 2016 aufgestellt?
Nicola Schumann: Gerade bei einer Marke wie Beate Uhse, die jetzt seit fast 70 Jahren existiert, ist es natürlich schwieriger, die Vorstellungen der Kundinnen und Kunden zu verändern und ihnen zu zeigen, dass die heutige Beate Uhse nicht mehr die Beate Uhse von damals ist. In den Köpfen hat sich über all die Jahre ein bestimmtes Bild von uns festgesetzt. So ein Imageshift braucht seine Zeit. Seit 2013 öffnen wir die Marke. Nach und nach reagieren unsere Kunden darauf positiv. 2016 wollen wir noch jünger, frecher, selbstbewusster und digitaler werden. Wir wollen DIE Marke für erotischen Lifestyle und Sexual Wellbeing sein. Zudem werden wir unser 70-jähriges Jubiläum mit vielen spannenden Projekten und Events feiern. Und darauf freuen wir uns schon sehr.
www.etailment.at: Im vergangenen Jahr setzten Sie in ihren Marketingaktivitäten vermehrt auf die Kommunikation von Gefühlen oder einem bestimmten Image, statt auf klassische Produktpräsentationen. Woraus resultiert dieses Umdenken im Marketingkonzept von Beate Uhse? Gab es personelle oder unternehmensphilosophische Veränderungen?
Schumann: Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden ein Einkaufserlebnis bieten. Sie sollen sich durch uns inspirieren lassen. Dafür erzählen wir Geschichten rund um unsere Produktwelten und geben Frauen und Paaren Tipps an die Hand, die ihr Liebesleben aufregender machen. Schließlich haben wir dank unserer langen Tradition das nötige Know-how und das möchten wir weitergeben.
www.etailment.at: Sie haben erst vor Kurzem das Kataloggeschäft eingestellt, darüber hinaus wurden 16 Filialen geschlossen. Rückwirkend gesehen: Denken Sie, dass Beate Uhse als Unternehmen die Digitalisierung in der Wirtschaft in den vergangenen Jahren zu spät erkannt hat?
Schumann: Der Erotikmarkt verändert sich. Das war uns bewusst und darauf haben wir auch rechtzeitig reagiert. Der Katalog war zuletzt eher eine Inspirationsquelle für unsere Kundinnen und Kunden, die Ihnen Lust auf die Marke Beate Uhse und unsere Produkte machen sollte. Bestellungen gingen aber in den vergangenen Jahren eher über den Onlineshop ein, der unser wichtigster Kanal war und ist.
www.etailment.at: Ehemalige Versandhändler wie die Otto Gruppe erwirtschaften heute bereits 90 Prozent ihres Umsatzes über das Internetgeschäft. Können Sie sich ein derartiges Szenario für Beate Uhse in Zukunft vorstellen? Also eine starke Verringerung des stationären Handels zugunsten des Onlinegeschäfts?
Schumann: Unser Onlinegeschäft ist ohnehin bereits jetzt unser Zugpferd. Daneben setzen wir aber weiterhin auf unsere Filialen und konzentrieren uns hier auf die umsatzstarken Stores, die wir der Marktentwicklung entsprechend stärker aufstellen wollen. In den Shops können die Kundinnen und Kunden unsere Produkte sehen, anfassen und anprobieren und dann vielleicht zu Hause bestellen. Oder sie kommen in unsere Stores, weil sie zuvor im Onlineshop gestöbert und sich inspirieren lassen haben. Online und Retail gehen bei uns also Hand in Hand.
www.etailment.at: Das Online-Versandhaus Amazon soll einer der größten Konkurrenten von Erotikhändlern wie Beate Uhse sein. Wie sieht die tatsächliche Konkurrenzsituation am Online-Erotikmarkt aus Ihrer Sicht aus?
Schumann: Bei Amazon können Kundinnen und Kunden natürlich unsere Produkte kaufen, doch was hier fehlt, ist das Einkaufserlebnis und die Inspiration. Am Online-Erotikmarkt erscheinen zudem immer mehr junge neue Konkurrenten, die den erotischen Lifestyle als ganz selbstverständlichen Teil des Alltags darstellen. Doch Konkurrenz belebt das Geschäft und spornt uns nur noch mehr an. Und: Beate Uhse gibt es jetzt schon seit 70 Jahren. Wir sind und bleiben das Original – das macht uns so schnell keiner nach.
www.etailment.at: Merken Sie, dass bestimmte Artikel online stärker nachgefragt werden, da die Schamgrenze durch die Anonymität geringer ist?
Schumann: Hier können wir tatsächlich kaum einen Unterschied feststellen. Das liegt vor allem daran, dass es heute viel selbstverständlicher als noch vor ein paar Jahren ist, erotische Produkte zu kaufen. Seit Medienphänomenen wie „Fifty Shades of Grey“ sind Themen wie Sexualität und Verführung in der Mitte der Gesellschaft angekommen und dort fest verankert. Zusätzlich hat sich auch das Aussehen der meisten Love Toys verändert. Vibratoren und Co. sehen heute wie kleine Designerstücke aus, die man sich auch gut als Deko in die eigenen vier Wände stellen könnte. Doch natürlich gibt es auch den einen oder anderen Kunden, der noch ein wenig Berührungsängste hat und dann lieber online bestellt.
www.etailment.at: Die Porno-Industrie rechnet mit einem enormen Wachstum bezüglich des Umsatzes von Virtual Reality Produkten. Bis 2025 soll mehr als eine Milliarde US-Dollar umgesetzt werden. Welche Möglichkeiten und Chancen könnten solche Veränderungen für ein ursprüngliches Katalogversandhaus wie Beate Uhse mit sich bringen?
Schumann: Wir werden zeitnah Virtual Reality Clips produzieren lassen, um zu testen, wie gut diese Produkte bei unseren Kunden ankommen. Wir glauben aber, dass sich diese eher weiterhin für die klassischen, unkomplizierten Clips interessieren werden. Doch wir sind gespannt, wie sich das Thema entwickeln wird.
www.etailment.at: 80 Prozent aller Beate Uhse Produkte sind für Frauen, weiters sind 70 Prozent aller Beate Uhse Kunden weiblich. Ebenso legen verschiedene Studien nahe, dass der Großteil der Konsumenten pornographischer Inhalte männlich ist. Glauben Sie, wird Virtual Reality für Beate Uhse dann überhaupt eine große Rolle spielen?
Schumann: Neben den Produktpalletten, die Sie im Onlineshop und in den Filialen finden, bieten wir auch Entertainment-Inhalte an, die sich eher an eine männliche Zielgruppe richten. Für diese möchten wir auch Virtual Reality anbieten, sehen das aber eher als Nischenprodukt.
www.etailment.at: Gibt es seitens Beate Uhse Anstrengungen, die Zielgruppe „Männer“ wieder verstärkt anzusprechen?
Schumann: Wir planen auch in Zukunft Frauen und Paare als Kernzielgruppe anzusprechen. Der Markt hat sich gewandelt. Es sind Frauen, die in diesem Bereich vornehmlich die Kaufentscheidung treffen. Natürlich bieten wir weiterhin Produkte für Männer an. Unser Shop bietet Männern nach wie vor ein großes Sortiment bestehend aus Nightwear, Männer Love Toys, aber auch Toys für homo- und heterosexuelle Paare an.
www.etailment.at: In den vergangenen Jahren gab es viele Veränderungen und Entwicklungen in der Erotikbranche: Wofür steht Beate Uhse im Jahr 2016? Und wie sieht die mittelfristige Vision von Beate Uhse insgesamt aus?
Schumann: Als Vorreiter im spielerischen, unkomplizierten und natürlichen Umgang mit dem Thema Sex steht Beate Uhse vor allem für Pioneership, Lebensfreude, Souveränität und Sinnlichkeit. Wir wollen unsere Positionierung in Zukunft noch stärker von einer Erotik- zu einer Erotik-Lifestyle-Marke schärfen.