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Warum Amazon die Familie pampert

Gepostet in Player5 Tagen alt • Geschrieben von Olaf KolbrückKeine Kommentare

Angesichts von 70 Millionen Prime-Kunden, die bei Amazon für 60 Prozent des Umsatzes sorgen, weil sie in der Regel doppelt und dreifach so viel ausgeben, wie ein normaler Kunde, kann man diese Gruppe leicht ganz pauschal für die wichtigste Kundengruppe bei Amazon halten. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Für Amazon ist kaum etwas so wichtig wie die Familie.

Warum Amazon die Familie pampert

Der Kurs der Amazon-Aktie ist in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 50 Prozent gestiegen. Das liegt auch daran, dass der Aktien weitaus eher als mancher Händler oder Verbandsvertreter darauf wettet, dass Amazon alsbald den Handel mehr denn je beherrschen wird.

E-Marketer erwartet, dass sich die globalen E-Commerce-Umsätze bis 2019 verdoppeln werden. Und während im asiatischen Raum Alibaba und Co daran einen massiven Anteil haben werden, profitiert vom Wachstum in der westlichen Hemisphäre vor allem einer: Amazon. Manch ein Berater glaubt gar, Amazon werde in den kommenden Jahren mehr als 75 Prozent des deutschen E-Commerce ausmachen. Unwahrscheinlich ist das nicht. Denn im E-Commerce ist es wie mit dem Teufel und seinem Haufen. Vom Wachstum im Onlinehandel profitieren Dickschiffe wie Amazon überproportional.

Elemente wie Daten, Strukturen, Tempo, Konditionen, Kundenzentrierung, Pricing und das Prime-Programm mit rund 17 Millionen Prime-Kunden allein in Deutschland sind dabei nur die üblichen Verdächtigen, wenn nach den Gründen für das unkapputtbare Wachstum des digitalen Behemoth gesucht wird.

Selten bis gar nicht wird registriert, wie Amazon vor allem eine konsumfreudige und dankbare Kundengruppe umgarnt und diese lukrative Zielgruppe dabei langfristig an sich bindet.

Die jungen Familien.

Infografik: Die Amazon Erfolgsformel | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Seit 2012, und seitdem Fachpresse und Beratern nur wenige Powerpoint-Folien wert, bietet der größte Versandhändler Deutschlands Prime-Mitgliedern beispielsweise mit Amazon Family für junge Familien ein preisagressives Rabattprogramm, beispielsweise mit 20 Prozent Rabatt auf Windeln im Spar-Abo. Ein Dauerläufer und No-Brainer.

Dabei aber geht es Jeff Bezos nicht nur um den Markt mit Windeln und Babypuder.

Warum Amazon auf die Familie schwört

Amazon agiert auch mit Eltern-Bloggern, Tipps für Papa und Produktempfehlungen von Eltern für andere Eltern, um jungen Familien mehr Orientierung zu bieten.

Junge Eltern, oft gestresst und in Zeitnot, sind für jede Option, die mehr Bequemlichkeit und obendrein Geldersparnis verspricht, dankbar. Dankbarkeit, die sich dann in einer noch höheren Kundenbindung zum Online-Kaufhaus und einer höheren Einkaufsbereitschaft zeigen wird – wenn die Kinder aus dem Windelalter heraus sind.

Windeln und Family-Programm zielen hier also auf nicht weniger als das gesamte kommende Kundenleben der Eltern – in dessen Verlauf Amazon dann jederzeit rechtzeitig und vorab datenunterfüttert passende Empfehlungen machen kann.

Entsprechend dürfte Amazon da der Flop mit der eigenen Windel-Marke Elements gewurmt haben. Wie relevant die Zielgruppe Eltern ist, zeigte die Sensibilität, mit der Amazon 2015 auf die Qualitätsbeschwerden der Kunden rund um die Eigenmarke Elements für Windeln und Babytücher reagierte. Eine Marke knapp sechs Wochen nach dem Start aus dem Verkehr zu ziehen, das war schon rekordverdächtig.

Kein Wunder also, dass Amazon nun einen neuen Anlauf nimmt. Der Online-Riese will laut einem Bericht des Wall Street Journals auf breiter Front Eigenmarken für Allerweltsprodukte wie Babyprodukte, Kaffee, Tee, Vitaminprodukte sowie Snacks und Waschmittel in den Markt schicken. Die Produktnamen klingen wie am rosaroten Familientisch im Cannabis-Rausch erdacht: Happy Belly, Wickedly Prime und Mama Bear. Angeboten werden sollen diese Produkte vorerst nur Amazon Prime-Kunden.

Eltern kann man zudem innerhalb des Amazon-Ökosystems gut auch an anderer Stelle binden: Kinderfilme bei Amazon Prime Video, Leihbücherei und Vorratskammer Pantry.

So muss man auch Amazon Fresh ein Stück weit unter dem Blickwinkel der Lieblingszielgruppe Eltern betrachten und als Mehrwert für die Zielgruppe junge und gut verdienende urbane Familien begreifen.

Natürlich geht es auch um den Einstieg in einen Milliardenmarkt. Da Amazon aber angesichts all der ökonomischen und logistischen Komplexität keinen Erfolg über Nacht erwarten wird, wird auch hier wieder die Bequemlichkeit und Zufriedenheit junger, urbaner Familien ein zentrales Element bilden. Dies und die Bindung von Stammkunden dürfte Amazon dabei weitaus wichtiger werten, als die Gewinnung von Neukunden für seinen Frische-Lieferdienst.

Deshalb kann Amazon bei Fresh auch vergleichsweise rücksichtslos kalkulieren. Die Verluste mit Amazon Fresh verwässern mit Blick auf den Customer Lifetime Value.

Und noch an anderer Stelle zeigt sich, welche Wertschätzung Familien bei Amazon genießen: In der Werbung: Ob im Clip für Prime, Fresh, den Dash Button oder für Amazon Echo: Stets sehen wir in der Hauptrolle (oder zumindest als wichtige Nebenrolle) eine glückliche Familie, gegen die die Eltern und Kinder im Miraculi-Spot depressive Borderline-Persönlichkeiten sind, um die Wette strahlen.

Und bevor Sie jetzt über die Geburtenziffer in Deutschland unken, lesen Sie bitte diese Schlagzeile: „Deutschland: Geburtenrate erreicht Höchststand seit 1990“.

 

Diesen Beitrag haben wir von etailment.de übernommen.

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